Pressemitteilungen des Bündnisses

Pressemitteilungen

Pressemitteilungen 2023

  • Ein wichtiger Schritt Richtung Nordisches Modell ist getan: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert das Nordische Modell für Deutschland

    Pressemitteilung zum CDU/CSU-Positionspapier „Menschenunwürdige Zustände in der 

    Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“, 07.11.2023



    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 07. November 2023  einstimmig das Positionspapier „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“ verabschiedet, in dem sie die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland fordert. 


    Mit diesem Schritt folgt sie den Empfehlungen des Europäischen Parlaments sowie dem Vorbild anderer europäischer Mitgliedsstaaten, unter anderem Schweden und Frankreich, die das Nordische Modell bereits umsetzen.


    Die CDU/CSU-Fraktion erklärt die bisherige deutsche Prostitutionsgesetzgebung als gescheitert. Sie legt dar, dass dadurch Prostituierte in Deutschland nicht vor sexueller Ausbeutung und Menschenhandel geschützt werden können. „Unter dem Schutzmantel der vom Gesetzgeber geschaffenen Legalität der Prostitution konnte sich ein Handel mit Menschen unkontrolliert ausbreiten“, heißt es in dem Papier. Auch die Freierstrafbarkeit bei leichtfertig in Kauf genommener Ausnutzung einer Zwangslage läuft laut der Fraktion ins Leere.


    Statt der bisherigen Regelungen fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine neue Gesetzgebung, die auf dem Nordischen Modell fußt. Sie schlägt ein Drei-Säulen-Modell vor, das die Aufklärung der Gesellschaft, Ausstiegshilfen für Personen in der Prostitution bei gleichzeitiger Entkriminalisierung derselben sowie die Strafbarkeit aller Profiteure inklusive der Freier beinhaltet.


    Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt das Positionspapier der CDU/CSU-Bundesfraktion ausdrücklich. „Wir versprechen uns von einer generellen Freierstrafbarkeit eine drastische Verkleinerung des Prostitutionsmarktes und einen Rückgang des Menschenhandels nach Deutschland“, sagt Lenkungskreisgewählte Simone Kleinert vom Bündnis Nordisches Modell. Besonders erfreulich ist auch die dauerhaft vorgesehene staatliche Unterstützung der Fachberatungsstellen. Kerstin Neuhaus, Sozialarbeiterin und Referentin für das Bündnis Nordisches Modell sagt hierzu: „Der Ausstieg aus der Prostitution ist ein langer und schwieriger Weg, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Fachberatungsstellen müssen über die nötige Kompetenz aber auch über die langfristige finanzielle Absicherung verfügen, um Frauen aus der Prostitution heraus helfen zu können.“


    Das Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ein erster wichtiger Schritt für die weitere Entwicklung der Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland.

    "Wir hoffen, dass sich weitere Fraktionen anschließen und schnellstmöglich eine grundlegende Änderung der deutschen Prostitutionsgesetzgebung erfolgt. Es ist daher zu begrüßen, dass bereits auch Bundestagsabgeordnete anderer Parteien ein Umdenken in der Prostitutionsgesetzgebung fordern“, sagt Simone Kleinert.


  • Männer in Deutschland kaufen mehr als doppelt so oft sexuelle Handlungen wie schwedische Männer

    Gemeinsame Pressemitteilung der Sveriges Kvinnoorganisationer (Schwedischen Frauenlobby) und dem Bündnis Nordisches Modell


    Berlin, 24.10.2023


    26 Prozent aller deutschen Männer haben bereits mindestens einmal in ihrem Leben für sexuelle Handlungen bezahlt.  In Schweden sind es im Vergleich nur 7 Prozent der Männer. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die von den Datenerhebungsinstituten Novus in Schweden und Norstat in Deutschland durchgeführt wurde. Die Umfrage steht im Einklang mit anderen Studien, die Unterschiede in der Einstellung bezüglich des Kaufs sexueller Handlungen zwischen Ländern mit verschiedenen Regelungen der Prostitution aufzeigen.


    Die von der schwedischen Frauenlobby in Auftrag gegebene Umfrage basiert auf den Antworten einer repräsentativen Stichprobe von 1.000 Personen in Schweden und 1.000 Personen in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen auch, dass 16 Prozent der deutschen Männer schon mehrmals sexuelle Handlungen gekauft haben, verglichen mit 5 Prozent der schwedischen Männer. „Prostitution und sexuelle Ausbeutung sind in Deutschland weit verbreitet, daher überraschen uns diese Zahlen nicht. Hierzulande gibt es große Probleme mit Gewalt gegen Frauen in der Prostitution und mit Menschenhandel. Die Situation ist unhaltbar und es ist klar, dass die deutsche Gesetzgebung nicht funktioniert“, sagt Marie Kaltenbach vom Bündnis Nordisches Modell


    Die Studie wird zur gleichen Zeit vorgestellt, in der auch die EU über Änderungen der Richtlinie gegen Menschenhandel berät, und nur wenige Wochen, nachdem das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet hat, in der die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, den Kauf und die Vermittlung von sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen, so wie es in Schweden der Fall ist. „Wir fordern die deutsche Regierung dringend auf, den Empfehlungen der EU zu folgen und den Kauf von Sex zu verbieten. Wenn Deutschland wirklich den Menschenhandel bekämpfen und sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen will, muss es den weit verbreiteten Handel mit Frauenkörpern stoppen", sagt Nathalia Guaje, SRHR-Expertin der Schwedischen Frauenlobby. 


    Ausstellung in der Schwedischen Botschaft in Berlin 

    Heute Abend, 24. Oktober, um 18.00 Uhr wird die Ausstellung "Sexkauf ist Gewalt" in der schwedischen Botschaft in Berlin eröffnet. Bei der Eröffnung wird die Schwedische Frauenlobby mehr Ergebnisse aus der Studie vorstellen und über die schwedische Gesetzgebung im Zusammenhang mit Prostitution berichten. Die Ausstellung, die bis zum 31. Oktober zu sehen ist, zeigt die Aussagen von Frauen und Mädchen, die in der Prostitution waren. 


    Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.swedenabroad.se/de/botschaften/deutschland-berlin/aktuelles/kalender/24.-31.10.2023-ausstellung-sexkauf-ist-gewalt/ 



    Fakten zur Prostitution in Schweden und Deutschland


    Als erstes Land der Welt hat Schweden 1999 den Kauf und die Vermittlung von sexuellen Handlungen unter Strafe gestellt. Seitdem haben mehr und mehr Länder ähnliche Gesetze eingeführt, zum Beispiel Frankreich, Kanada und Irland. Bisherige Auswertungen des Gesetzes zeigen eine normative Wirkung, die zu einem Rückgang der Nachfrage nach Prostitution geführt hat. In Deutschland ist der Kauf von sexuellen Handlungen und das Betreiben von Bordellen seit 2002 legal. Studien zeigen, dass der Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung in Deutschland zugenommen haben.


  • Pressemitteilung anlässlich des Internationalen Tages gegen Prostitution (05.10.2023)

    Seit nunmehr über zwei Jahrzehnten hat Deutschland sich zum Zielland von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung avanciert. Die Geister, die es rief, wird es nun nicht mehr los. Stimmen mehren sich, endlich umzusteuern. 


    Zeitstrahl 2023


    04. Oktober 2023


    Trotz verschiedener Gesetzesreformen und -verschärfungen im Bereich Prostitution (2017) und Menschenhandel (2016) gelingt es weiterhin nicht Prostituierte zu schützen, die Organisierte Kriminalität zurückzudrängen und Menschenhandel und Zwangsprostitution nachhaltig zu bekämpfen. Stattdessen kann eine zunehmende Nachfrage nach Prostitution festgestellt werden, die Menschenhandel fördert und der Gewalt gegen Frauen Vorschub leistet. Doch es tut sich etwas. Sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft mehren sich Stimmen, die ein gesetzliches Umsteuern in der Prostitutionspolitik fordern.


    April 2023

    Im April stellte die Fraktion der CDU/CSU eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Tatsache ist, dass der Bundesregierung nur sehr eingeschränkte Erkenntnisse über das tatsächliche Ausmaß der Prostitution und die Situation Prostituierter in Deutschland vorliegen, da sie die meisten Fragen nicht ausreichend beantworten konnte. Die Fraktion der CDU/CSU stellte heraus: "Trotz des fortbestehenden Verbots der Ausbeutung von Prostituierten, der Zwangsprostitution und des Menschenhandels und trotz der Neugestaltung der Straftatbestände der §§ 232 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) hat sich die mit dem Gesetz verbundene Hoffnung auf eine Verbesserung der prekären Situation der weit überwiegenden Zahl der Menschen in der Prostitution nicht erfüllt." 


    Juni 2023

    Im Juni dieses Jahres hat das Bündnis Nordisches Modell zusammen mit Gemeinsam gegen Menschenhandel und SOLWODI beim 38. Evangelischen Kirchentag in Nürnberg erfolgreich Unterschriften für die kirchentagseigene Resolution "Wertewandel in der Prostitutionsgesetzgebung" gesammelt. Gemeinsam appellieren sie an die Bundesregierung, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Diakonie Deutschland, sich den Forderungen der Resolution (Einführung des Nordischen Modells) nach einer dringend notwendigen Veränderung in der deutschen Prostitutionspolitik anzuschließen.


    Sexkauf – eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“ ist die Forschungsarbeit von Prof. Dr. Elke Mack, Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger und Dr. Jakob Drobnik und erschien am 26. Juni 2023. Die Arbeit befasst sich mit den Auswirkungen der Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland in den letzten 20 Jahren. Sie hinterfragen in dem Buch die gesetzgeberische Annahme der Freiwilligkeit des Sexverkaufs in Deutschland und prüfen eine Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung im Hinblick auf die Würde der Menschen in der Prostitution. In dem Werk wird untersucht, inwieweit bei der Einführung des Prostitutionsgesetzes 2001/2002 die Konformität der geplanten Gesetzgebung mit den Grundrechten, insbesondere mit der Menschenwürde, geprüft wurde. Die drei WissenschaftlerInnen kommen zu dem Ergebnis, dass die Gesetze gegen die Deutsche Verfassung verstoßen und einer dringenden Totalrevision bedürfen.


    August 2023

    Das aktuelle Bundeslagebild Menschenhandel verzeichnet einen Anstieg um 14,1 % bei den ermittelten Opfern, wobei etwa jedes sechste Opfer regulär nach dem ProstSchG angemeldet war. Die Verlagerung hin zur Wohnungsprostitution und Hotelbesuchen setzt sich laut BKA auch nach Ende der Covid-19 Pandemie fort. Es handelt sich also um einen Effekt, der auch in anderen Ländern zu beobachten ist und damit nicht als spezifische Wirkung des Nordischen Modells angesehen werden kann. Obwohl die Freier-Strafbarkeit gemäß §232 a Abs. 6 StGB existiert und abschreckende Wirkung entfalten soll, ist dem Bundeslagebild kein Strafverfahren in diesem Bereich zu entnehmen, was die Wirkung solcher Gesetze bei einem gleichzeitig bestehenden legalen Prostitutionsmarkt stark in Frage stellt.


    September 2023

    Den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts für 2022 ist zu entnehmen, dass 28.278 Prostituierte gemäß dem ProstSchG angemeldet waren. Diese Zahl bildet nach wie vor nur einen Bruchteil der schätzungsweise 200.000 in der Prostitution Tätigen ab. Das ProstSchG bringt also wenig Licht ins Dunkel, was die statistischen Zahlen angeht. Konstatieren lässt sich jedoch, dass das ProstSchG primär den Prostitutionsmarkt und seine Profiteure schützt und Frauen weiter unter dem Deckmantel der Legalität ausgebeutet werden. 


    Das Bundeslagebild des BKAs und die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Prostituiertenschutzgesetz 2022 zeigen erneut auf, dass die deutschen Gesetze zur Regelung der Prostitution und zur Bekämpfung des Menschenhandles zur sexuellen Ausbeutung weitestgehend wirkungslos sind.   


    Die deutsche Sozialdemokratin und Europa-Abgeordnete Maria Noichl (SPD) schreibt frauenpolitische Geschichte: Der Noichl-Bericht über Prostitution und ihre Auswirkungen auf die Gleichstellung und die Frauenrechte wurde am 14.09.2023 vom Europäischen Parlament bestätigt und hat damit ein starkes Zeichen für Menschen- und Frauenrechte in Europa gesetzt. Nach der Resolution von 2014 (sog. Honeyball-Resolution) empfiehlt das Europäische Parlament erneut die Einführung und Umsetzung der Elemente des Nordischen Modells in allen europäischen Ländern. Es fordert unmissverständlich zum Perspektivwechsel auf: Prostitution stellt laut dem Europäischen Parlament eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt dar und sollte als solche von allen Mitgliedsstaaten auch anerkannt werden.


    05. Oktober 2023 – Internationale Tag gegen Prostitution

    Am 5. Oktober machen Organisationen und Überlebende der Prostitution wie jedes Jahr auf die verheerenden Folgen der Prostitution aufmerksam und fordern die Gesellschaft und die Regierungen auf, eine menschenrechtsorientierte Prostitutionspolitik zu verfolgen. Mit dem Nordischen Modell steht ein bewährter Ansatz zur Verfügung. Wie lang muss der Zeitstrahl also noch werden, bis Deutschland endlich erkennt, dass es beim Thema Prostitution umsteuern muss?


  • Das Europäische Parlament empfiehlt den Mitgliedsstaaten die Umsetzung der Säulen des Nordische Modells

    14.09.2023


    Pressemitteilung anlässlich der Resolution des Europäischen Parlaments zur ‚Regulierung der Prostitution in der EU: ihre grenzübergreifenden Auswirkungen und die Konsequenzen für die Gleichstellung und die Frauenrechte‘ 


    Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl hatte zunächst einen Bericht über Prostitution und ihre Auswirkungen auf die Gleichstellung und die Frauenrechte initiiert und anschließend die Verhandlungen geleitet. Der Bericht wurde dann im Gleichstellungsausschuss des Europäischen Parlaments diskutiert und weiter ausgearbeitet. Am heutigen Donnerstag (14.09.2023) wurde der Bericht schließlich mit 234 Stimmen angenommen und ist damit eine Resolution des Parlaments, die sich an die Mitgliedsstaaten der EU richtet. Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt die Resolution außerordentlich. „Unsere Forderung, in der Prostitutionspolitik in Deutschland endlich umzusteuern, wird nun durch das Europäische Parlament bekräftigt. Ein Europa der Frauenrechte, ist ein Europa ohne Prostitution. Das hat das Parlament heute klar gemacht“, sagt Marie Kaltenbach vom Bündnis Nordisches Modell.

     

    Prostitution resultiert aus Ungleichheit und verstärkt diese

     

    Der Bericht geht ausführlich auf die Lebensumstände ein unter denen überwiegend Frauen in die Prostitution geraten. Armut, Chancenungleichheit, frühe Gewalterfahrungen oder Formen der Diskriminierung seien Faktoren, die Frauen verletzlich machen in die Prostitution zu geraten. Die Prostitution spiegle dabei die vorherrschenden Machtverhältnisse wider und reproduziere diese, hält die Resolution fest. Außerdem würden in der Prostitution nicht nur Frauen ganz überwiegend von Männern ausgebeutet, sondern die Prostitution sei ebenfalls von rassistischen Stereotypen bestimmt. „Solange wir das System Prostitution in Europa dulden, wird es keine Gleichstellung geben“, sagt Maria Noichl. „Nur wenn wir Prostitution als Gewaltform anerkennen und die Strukturen dahinter analysieren, können wir Frauenrechte wahren und stärken.“ Neben der Situation der Prostituierten nimmt die Resolution auch jene Akteure in den Blick, die von der Prostitution anderer profitieren. So würden Dritte die Not von Frauen ausnutzen und diese gezielt ausbeuten. Doch nicht nur Zuhälter oder Menschenhändler gehören zu diesen Profiteuren, sondern auch Bordellbetreibende und Freier.

     

    Die Nachfrage nach Prostitution muss reduziert werden

     

    „Die Nachfrage ist der Motor, der das System Prostitution antreibt und erst ermöglicht, dass mit der ‚Ware‘ Frau Milliarden verdient werden können“, sagt Marie Merklinger. Merklinger war selbst viele Jahre in der Prostitution und sprach bereits auf zahlreichen Veranstaltungen im Parlament als Expertin vor.  Aber die Freier seien es auch, die den Frauen schwere psychische und physische Schäden zufügten. „Freier übergehen den sexuellen Konsens, indem sie Geld auf den Tisch legen. Deshalb sage ich, Prostitution ist eine bezahlte Vergewaltigung.“ Maria Noichl betont, dass es mit der Resolution gelungen sei, den Fokus endlich auf die Wurzel des Problems zu legen – die Nachfrage. „Wir müsse die Freier endlich stärker in den Mittelpunkt der Debatte stellen“, fordert Noichl.

     

    Deutschland muss umdenken

     

    In Deutschland ist der Prostitutionsmarkt seit 2002 weitestgehend legalisiert. Die Bundesregierung stellte jedoch bereits 2007 fest, dass die Ziele des Gesetzes nicht erreicht werden konnten. 2017 wurde mit dem Prostituiertenschutzgesetz versucht nachzubessern. „Wir sehen aber, dass nach über sechs Jahren Prostituiertenschutzgesetz keine Verbesserungen für die Frauen in der Prostitution erreicht werden konnten. Der Ansatz, eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt durch Regulierung und Bürokratie bekämpfen zu wollen, ist der falsche Weg“, sagt Marie Kaltenbach und fordert die die Einführung des Nordischen Modells. Die Säulen des Nordischen Modells sind auch in der Resolution des Europäischen Parlaments festgehalten. Neben der Entkriminalisierung Prostituierter, soll diesen auch mehr Unterstützung zukommen und Ausstiegshilfen angeboten werden. Profiteure der Prostitution werden hingegen kriminalisiert. Hier fällt auch das sogenannte Sexkaufverbot darunter, das Freier, aber nicht die Prostituierten, bestraft. Außerdem soll durch Prävention und Aufklärung verhindert werden, dass Menschen überhaupt in die Prostitution geraten. „Die Resolution des Europäischen Parlaments verleiht uns Überlebenden eine Stimme, indem sie unsere Forderungen aufgreift und sich gegen das System Prostitution stellt“, konstatiert Marie Merklinger.

  • Ein starkes Zeichen für Frauenrechte - Europäische Empfehlung zur Umsetzung des Nordischen Modells

    28. Juni 2023


    Auf Initiative der Europaabgeordneten Maria Noichl wurde gestern im Ausschuss für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung des Europäischen Parlaments der Bericht über die unterschiedlichen Regulierungen der Prostitution und ihre Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Frauenrechte angenommen. Der Bericht befasst sich mit der Situation Prostituierter, der Rolle der Nachfrage sowie dem Zusammenhang zwischen liberalen Prostitutionsgesetzen und dem Menschenhandel. Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt den Bericht des Ausschusses außerordentlich. „Das System Prostitution steht der Gleichstellung der Geschlechter entgegen und ist daher mit den Werten, die sich die EU selbst gegeben hat, nicht vereinbar. Der Bericht unterstreicht dies und sendet damit ein wichtiges Signal“, konstatiert Marie Kaltenbach, Lenkungskreisgewählte des Bündnis Nordisches Modell.

     

    Der Bericht stellt fest, dass Prostitution, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel Formen geschlechtsspezifischer Gewalt sind. Ausbeutung und Zwang gehören zur Realität in der Prostitution. Daher ist sie mit der Würde des Menschen und dem Ziel einer gleichberechtigten Gesellschaft unvereinbar, wie der Bericht hervorhebt. Maria Noichl zufolge spiegeln sich in der Prostitution soziale Ungleichheiten wider. Denn in erster Linie seien es marginalisierte, arme und von der Gesellschaft ausgegrenzte Menschen – und vor allem Frauen, die betroffen seien. Somit setzt der Bericht nicht nur ein starkes Zeichen für die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch für mehr soziale Gerechtigkeit.

     

    Im Bericht wird deutlich, dass eine liberale Gesetzgebung, wie sie etwa Deutschland verfolgt, negative Auswirkung auf die Situation Prostituierter hat. Deshalb empfiehlt der Bericht einen EU-weiten Ansatz, der sich am sogenannten Nordischen Modell orientiert. Das Nordische Modell sieht Schutz und Hilfe für prostituierte Personen sowie eine Entkriminalisierung dieser vor. Ausstiegsprogramme sollen Alternativen zur Prostitution bieten. Die Nachfrage nach Prostitution wird als ursächlich für das System Prostitution und als Motor des Menschenhandels aufgefasst, weshalb der Sexkauf unter Strafe steht. Auch andere Profiteure der Prostitution, wie etwa Zuhälter oder Bordellbetreibende, werden als Teil eines ausbeuterischen Systems verstanden und kriminalisiert. Der Bericht macht deutlich, dass das Nordische Modell ein effektives Instrument zur Bekämpfung des Menschenhandels ist und einen positiven Einfluss auf die gesellschaftliche Einstellung zur Gleichstellung hat. Im September wird der Bericht final im Plenum abgestimmt.

     

    Das Bündnis Nordisches Modell beglückwünscht seine Bündnispartnerin und Unterstützerin Maria Noichl zu diesem großartigen Erfolg. Für die Politik in Deutschland bleibt zu hoffen, dass sie sich endlich mit den Erkenntnissen aus dem europäischen Kontext auseinandersetzt und auch hierzulande ein Umdenken einleitet.

  • Resolution fordert Wertewandel in deutscher Prostitutionspolitik

    22. Juni 2023


    „Prostituierte Personen entkriminalisieren, Ausstieg unterstützen, Profitierende bestrafen und die Nachfrage nach Prostitution reduzieren“ – diese Forderungen richteten drei Organisationen in Form einer Resolution auf dem 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg an die deutsche Bundesregierung.


    Das Bündnis Nordisches Modell, Gemeinsam gegen Menschenhandel e.V. und SOLWODI e.V. appellieren gemeinsam an die Bundesregierung, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Diakonie Deutschland, sich diesen Forderungen nach einer dringend notwendigen Veränderung in der deutschen Prostitutionspolitik anzuschließen. Auf dem „Markt der Möglichkeiten“, wo sich zahlreiche AusstellerInnen zu verschiedensten Themenbereichen präsentierten, sammelten die drei Organisationen über 1.700 Unterschriften von den Besucherinnen und Besuchern des 38. Evangelischen Kirchentages in Nürnberg. Sie stießen dabei auf ein sehr interessiertes Publikum, das sich erschrocken über die tatsächlichen Missstände in der Prostitution zeigte.  Die Resolution zum Wertewandel in der Prostitutionspolitik ist eine der beiden erfolgreich eingebrachten Resolutionen auf dem Kirchentag und unterstreicht damit die hohe gesellschaftspolitische Relevanz des Themas. 


    Simone Kleinert vom Bündnis Nordisches Modell erklärt: „Deutschland ist aktuell ein Zielland von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und gilt als Bordell Europas. Die große Mehrheit der in der Prostitution Tätigen sind Frauen. Die Nachfrage nach Prostitution geht hingegen fast ausschließlich von Männern aus.“ Sie weist darauf hin, dass Deutschland mit seiner Prostitutionsgesetzgebung gegen völkerrechtliche Verträge verstößt, denn gemäß Artikel 6 der Frauenrechtskonvention CEDAW ist Deutschland verpflichtet, jede Form des Frauenhandels und der Ausbeutung der Prostitution von Frauen durch gesetzgeberische Maßnahmen abzuschaffen. 


    Frank Heinrich, ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender des Vereins Gemeinsam gegen Menschenhandel, weiß: „Diese Menschenrechtsverletzungen können unter der aktuellen Rechtslage, die Prostitution als normale Dienstleistung behandelt, nicht effektiv bekämpft werden.“ 


    Maria Decker, Geschäftsführerin des Vereins SOLWODI, der Betroffene über 21 Fachberatungsstellen und 14 Schutzeinrichtungen in ganz Deutschland unterstützt, betont: „In der Prostitution spiegeln sich soziale Ungleichheiten wider: Frauen mit Migrationshintergrund und prekärer Lebenssituation sind besonders vulnerabel.“ Decker ist überzeugt: „Prostitution missachtet somit zutiefst die Würde des Menschen.“


    Daher ist für die drei Antragstellerinnen klar: Es braucht das Nordische Modell bzw. Gleichstellungsmodell in Deutschland. Es fokussiert sich auf Entkriminalisierung und Schutz von Menschen in der Prostitution, Ausstiegshilfen und Prävention sowie auf die generelle Bestrafung aller, die von der sexuellen Ausbeutung profitieren – vor allem die Freier, die durch ihre Nachfrage überhaupt erst einen „Markt“ für Prostitution schaffen.


    Der Deutsche Evangelische Kirchentag befürwortet, dass Gemeinsam gegen Menschenhandel, SOLWODI und wir als Bündnis Nordisches Modell mit diesem deutlichen Votum von 1.700 Unterschriften die Resolution an die Adressatinnen übereichen. Im Namen aller Unterzeichnender bitten wir die Bundesregierung, den Rat der EKD und das Diakonische Werk sich mit den aufgeführten Forderungen auseinanderzusetzen und in einen konstruktiven Dialog mit uns zu treten.


    Zertifikat zur erfolgreichen Resolution des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages


Pressemitteilungen 2022

  • „Genauer hinschauen“ – auch bei den Menschen in der Prostitution

    Januar 2022


    Offener Brief


    Sehr geehrter Herr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier,


    im Namen des Bündnisses Nordisches Modell möchte ich Ihnen ganz herzlich zum Geburtstag und zur Nominierung durch alle maßgeblichen Parteien im Bundestag gratulieren. Uns liegt Ihre Wiederwahl sehr am Herzen, weil Sie immer wieder das Schicksal von Opfern des Kindesmissbrauchs ansprechen, den Finger in die offene Wunde legen und eine „Haltung des Hinschauens“ für unser Land fordern. Dafür dan-ken wir Ihnen!


    Genauer hinschauen ist auch das Ziel unseres Bündnisses, das sich im März 2021 gegründet hat und schon 45 Organisationen umfasst, darunter den KDFB, TERRE DES FEMMES, SOLWODI, den Landes-frauenrat Baden-Württemberg sowie verschiedene Partei-Gruppierungen. Im Bündnis befinden sich auch Aussteigerinnen aus der Prostitution, zum Beispiel unsere Lenkungskreis-Gewählte Ronja.


    Sie, Herr Bundespräsident, haben darauf hingewiesen, dass die Menschen durch sexuellen Missbrauch psychisch so geschädigt sind, dass eine spätere Berufstätigkeit oft unmöglich ist. Wir wissen, dass Frauen, die Opfer von sexuellem Missbrauch in der Kindheit geworden sind, oft in die Prostitution einsteigen. Sie haben die nötige Abspaltung gelernt, die laut Trauma-Therapeutinnen nötig ist, um unge-wollte, massenhafte Penetration durch fremde Männer zu ertragen. Prostitution ist sexuelle Gewalt und führt zu körperlichen und seelischen Folgeschäden.


    Wir bitten Sie daher, Herr Bundespräsident, dafür Sorge zu tragen, dass der irreführende und zynische Begriff „Sexarbeit“ in Ihrem Wirkungskreis keine Verwendung findet. Prostitution ist weder Sex noch Arbeit.


    Der Staat hat mit dem irreführenden Leitbild der „freiwilligen, erwachsenen Prostituierten“ die Basis dafür gelegt, dass verharmlosend von „Sexarbeit“ gesprochen wird, und stellt die Infrastruktur dafür bereit. Am augenfälligsten geschieht das unweit vom Schloss Bellevue auf der Kurfürstenstraße, wo die Bezirksbürgermeisterin stolz ist auf die Bioholz-Toiletten, die sie als „Verrichtungsboxen“ für die Straßenprostitution hat einrichten lassen. Dort, wo Menschen ihr Geschäft verrichten, werden junge Frauen aus Osteuropa angehalten, Freier zu bedienen. Wie ist das mit unserer Vergangenheit vereinbar?


    „Sexarbeit“-Befürworter*innen sprechen von einem Verbot der Prostitution und von einer Verdrängung in den Untergrund. Bei knapp 40.000 angemeldeten und geschätzten 200.000 Prostituierten sind bereits jetzt ¾ im Untergrund tätig. Wir fordern kein Verbot, sondern die Freier-Bestrafung und wirkungsvolle Ausstiegshilfen. 


    Nun haben wir eine Bitte an Sie, Herr Bundespräsident: Sprechen Sie mit Frauen, die sich prostituiert haben, und erfahren ihre Geschichten, die häufig mit sexuellem Missbrauch in der Kindheit beginnen. Sprechen Sie mit ehemaligen Ermittlern wie Manfred Paulus und mit PsychotherapeutInnen wie Dr. Bri-gitte Schmid-Hagenmeyer. Mittlerweile haben sich ein Duzend Bundestagsabgeordnete für die Einfüh-rung des Nordischen Modells ausgesprochen, unter anderem die Bundes Frauen Union der CDU. Wir helfen gerne weiter bei der Kontaktvermittlung.


    Deutschland braucht eine Politik, die den hohen Maßstäben an Menschenrechten, die es an andere stellt, auch im Inneren entspricht. Eine Politik, die den Anspruch hat, die Zukunft zu gestalten, statt das Elend nur zu verwalten. Wir brauchen eine europäische Lösung, wie sie das Europäische Parlament seit 2014 fordert.


    Wir danken Ihnen für Ihr Engagement und wünschen Ihnen für das Jahr 2022 und für Ihre kommende Amtsperiode viel Glück, Erfolg, und vor allem Gesundheit.


  • Gerhard Trabert – ein würdiger Kandidat für das Bundespräsidialamt

    Februar 2022


    Gerhard Trabert – ein würdiger Kandidat! Solidarität leben, statt sie nur im Munde zu führen


    Gerhard Trabert kandidiert für die Wahl zum Bundespräsidenten als Kandidat der Linken. Eine sehr gute Aufstellung, zu der wir dem Arzt und Professor für soziale Arbeit herzlich gratulieren. 


    „Vom Süden lernen“ – dieses post-koloniale Motto hat Trabert internalisiert. Die Erkenntnisse, die er im Kampf gegen die Lepra in Indien gewonnen hat, brachte er nach Mainz mit, um dort eine mobile medizinische Versorgung für Obdachlose zu organisieren. Schon als Studierender motivierte ihn die eklatante soziale Ungleichheit, so verfasste er seine Doktorarbeit über Obdachlose, seitdem hilft er mit seinem Arztmobil, wo immer er kann. 

    Da ist es nur folgerichtig, dass der Professor für soziale Arbeit mit seinem Verein „Armut und Gesundheit“ sofort dabei war, als das international agierende Netzwerk CAP (Coalition Abolition Prostitution) und die Hilfsorganisation SOLWODI im April 2019 in Mainz den 3.Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen ausgerichtet haben. Ziel: Das Nordische Modell auch für Deutschland. 


    Trabert meinte dazu: „Prostitution ist immer mit Armut, sozialen Notlagen, Gewalterfahrung in der Kindheit oder Jugend, mit Menschenhandel und andauernder Gewalt verbunden.“ Vor allem Wohnungslose Frauen seien betroffen. „70% aller Prostituierten haben eine posttraumatische Belastungsstörung“, so der Experte, die Sterberate sei 18-mal erhöht im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt. „Das korreliert mit Mord, Gewalt, Drogen und Suizid“, er gehe davon aus, „dass 90% der Frauen in der Prostitution dies nicht aus freien Stücken tun, sondern aus materieller Not“. 


    Wir freuen uns sehr, wenn mit der Aufstellung von Trabert endlich ein Paradigmenwechsel bei der Linken einkehren sollte, wie viele ihn intern schon lange fordern. Von der ehemaligen Frauen-politischen Sprecherin der Fraktion im Bundestag, Cornelia Möhring, war hingegen stets zu vernehmen, dass nur Frauen, die ihre Rechte kennen, sich wirksam gegen Gewalt wehren könnten. Es sei eben nicht jede Frau für „Sexarbeit“ geschaffen. Demnach läge es also an den Frauen selbst, an ihrer Resilienz, sich gegen Menschenhandel und organisierte Kriminalität zu wehren? 


    Nun ist es etwas anderes, im Abgeordnetenbüro VertreterInnen der Pro-Prostitutions-Lobby als vorgeblich „Betroffene“ zu empfangen, als auf der Straße den Realitäten ins Auge zu blicken. Prostitution ist kein Bullerbü, um das zu verstehen, hätte ein Blick in die Berliner Kurfürstenstraße genügt, wo die Bezirksbürgermeisterin („Der Straßenstrich, ein schönes Beiwerk für Berlin Besucher“) Biotoiletten explizit als Verrichtungsboxen hat aufstellen lassen. Trabert klagt auch diese Art von Tourismus-Marketing an: „Morgens Brandenburger Tor, abends Puff“, diesen organisierten Sex-Tourismus nach Deutschland solle es nicht mehr geben. 


    Ist es nicht Marktliberalismus der übelsten Art, wenn selbst der Körper des Menschen dem kapitalistischen Verwertungsinteresse unterworfen wird? Marx würde sich im Grabe umdrehen, wenn er, der so überzeugend die Entfremdung des Menschen in der Arbeitswelt analysierte, den zynischen Begriff von der „Sexarbeit“ vernehmen würde. Wenn er wüsste, wie die Lieferketten des Menschenhandels durch unterstützende Gesetzgebung und staatliches Wegsehen geschmiert, und der Top-Bordellstandort Deutschland ausgerechnet von prominenten Linken verteidigt würde… Es hinterließe ihn schlaflos in seinem Grab. 


    Aber wir können Marx beruhigen, denn, um es mit seinen Worten zu sagen: Ein Gespenst geht um in Europa, es ist das Gespenst des Abolitionismusses. 2021 haben entschlossene Menschen das Bündnis Nordisches Modell gegründet, weil sie den Menschenrechtsverletzungen mitten in Deutschland nicht länger tatenlos zusehen wollten. 45 Vereine, Netzwerke und Initiativen haben sich schon angeschlossen – und es werden täglich mehr. Das Motto lautet: Umdenken in der Prostitutionspolitik, sie wollen „Vom Norden lernen“ (https://www.youtube.com/watch?v=ERlElK5H2rU).


    Nach Schweden, Norwegen, Island, Irland, Frankreich und Israel geht jetzt auch Spanien den Weg, den das EU-Parlament schon 2014 vorgezeichnet hat, als es Prostitution unabhängig von vermeintlicher Freiwilligkeit grundsätzlich als Verstoß gegen die Menschenwürde bezeichnete und den Staaten eine konsequente Reduzierung der Nachfrage durch die Sanktionierung der Freier empfohlen hat.


    Professor Dr. Trabert wir freuen uns sehr, in Ihnen einen kraftvollen und überzeugenden Mitstreiter gefunden zu haben, wir danken Ihnen für Ihr Engagement und wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Wahl zum Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland!


  • Warnung vor Menschenhändlern, die geflüchteten ukrainische Frauen und Kindern zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung Unterkunft anbieten

    März 2022


    "Wir haben es erstmal geschafft", sagt Olga, die mit ihrer 10-jährigen Tochter diese Woche allein aus Kiew geflohen und bei Verwandten in Duisburg untergekommen ist. Ihr Mann darf die Ukraine nicht verlassen. "Doch nun kommt eine unerträgliche Angst um unsere ukrainischen Frauen und Kinder hinzu", sagen Olga und andere Frauen von FemUA Nordic Model, die 2017 in Kiew vor der Deutschen Botschaft gegen Deutschlands Prostitutionsgesetze demonstriert hatten. „Wir, die Frauen von FemUA Nordic Model, sind ukrainische Feministinnen, und unterstützen die Kriminalisierung von Freiern nach dem Vorbild Schwedens. Wir verstehen Prostitution als Gewalt, die von Freiern ausgeübt wird. Deutschland fördert die sexuelle Ausbeutung und lockt junge Frauen aus der Ukraine in die Prostitution“, klagten sie vor der Deutschen Botschaft in Kiew und warnten davor, die deutschen Gesetze in der Ukraine einzuführen.


    Die Frauen von FemUA Nordic Model sind schockiert, weil sie jetzt von Menschenhändlern an deutschen Grenzen und Bahnhöfen hören, die Frauen und Kindern Geld und Schlafplatz anbieten. Auch die deutsche Kriminalpolizei versucht die ukrainischen Frauen und Kindern zu warnen. ExpertInnen, die deutsche Freierforen beobachten, berichten über "Vorfreude" auf den Nachschub. Deutschland hat mit seinen Prostitutionsgesetzen einen Hahn des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung aufgedreht, schafft es aber seit 20 Jahren nicht, die Frauen und Kinder vor den Tätern zu schützen. Auch jenseits von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung liegt ein sehr weites graues Feld, in dem die vulnerabelsten Menschen unter uns allein gelassen werden.


    Gemeinsam greifen das Bündnis Nordisches Modell und FemUA Nordic Model die berechtigten Warnungen der deutschen Kriminalbehörden vor Menschenhändlern auf, die geflüchtete ukrainische Frauen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung Unterkunft anbieten. Den Männern an deutschen Bahnhöfen und Grenzen sollte skeptisch begegnet werden, niemals sollten die Frauen ihre Pässe abgeben. Allerdings gibt es auch Frauen unter den Menschenhändlern. Am besten sollen sich die Frauen an die Behörden und offiziellen Hilfsorganisationen vor Ort wenden. Es ist auch möglich, dass den Frauen und Kindern zunächst Unterkunft angeboten wird und dass später sexuelle Handlungen als Gegenleistung verlangt werden. In einem Bereich, in dem es keine Zeugen gibt, ist die Überführung der Täter in Deutschland nahezu ausgeschlossen. Täter behaupten, es habe eine Gegenleistung gegeben und die Frau sei eine „freiwillige Sexarbeiterin“. Bei Minderjährigen entlasten sich Freier strafbefreiend mit einem Irrtum über das Alter.


    Deutschlands Gesetze und Regelungen zum Prostitutionsgewerbe und den Betreiberpflichten erwecken den Eindruck, hier gäbe es keinen Menschenhandel, keine Ausbeutung und keine Zwangsprostitution. Das ist ein Trugschluss. Prostitution findet längst im Untergrund statt. Die Täter wissen, eine wirksame Strafverfolgung steht in Deutschland nicht bereit. Sie nutzen Notlagen der vulnerabelsten Menschen in unserer Gesellschaft ohne ernsthaftes Risiko.


    FemUA Nordic Model 

  • Die Verschärfung der Menschenhandelsparagraphen ist wirkungslos

    Durch die liberale Prostitutionsgesetzgebung ist Deutschland zum Zielland für Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geworden. Vor allem Frauen aus armen Regionen in Südosteuropa werden nach Deutschland in die Prostitution gehandelt. Die sexuelle Ausbeutung findet in legalen Bordellen, in angemeldeten und unangemeldeten Appartements und auf den Straßenstrichs deutscher Städte statt. Besonders reichere EU-Länder mit einer liberalen Prostitutionsgesetzgebung profitieren von der Not dieser Frauen, zum Beispiel durch Steuereinnahmen. „Das widerspricht den Werten, die sich die EU als Gemeinschaft gegeben hat und die sie nach außen hin vertritt,“ so Marie Kaltenbach vom Bündnis Nordisches Modell. „Diese Frauen werden hierzulande sexuell ausgebeutet und Deutschland übernimmt keine Verantwortung für die Schäden, die die Betroffenen an Körper und Psyche erfahren.“ Dass auch die Reform der Straftatbestände zu Menschenhandel zu keiner Besserung geführt hat, stellte jüngst auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. fest. 


    Das Forschungsinstitut führte in der Zeit vom 01.11.2020 bis 24.09.2021 eine Evaluation der im Jahr 2016 reformierten strafrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels durch. Der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erteilte Auftrag beinhaltete die Durchführung einer retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung.


    Die Bestandsanalyse zeigte, dass die Geschädigten der sexuellen Ausbeutung fast durchweg weiblich (95 %) waren, jede fünfte geschädigte Frau sogar unter 18 Jahre alt war und die Mehrzahl aus südosteuropäischen Staaten, wie Rumänien und Bulgarien kam. Bei 41 % der Geschädigten wurden Zeuginnen anscheinend eingeschüchtert, in der Regel durch die beschuldigten Menschenhändler. In der Hälfte der Fälle konnten Hinweise auf die Organisierte Kriminalität gefunden werden.


    Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. verwies auf den wissenschaftlichen Konsens, demzufolge das Dunkelfeld im Bereich des Menschenhandels groß sein dürfte und davon auszugehen ist, dass mindestens 90 % aller Menschenhandelsdelikte im Dunkelfeld verbleiben.


    Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Ziel, die Strafverfolgung durch eine Neufassung der strafrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels zu verbessern, nicht erreicht worden ist. So ergeben die ausgewerteten Statistiken keine Erhöhung der Fallzahlen, Strafverfahren oder Verurteilungsquoten. Von einer Verbesserung der Strafverfolgungspraxis beim Menschenhandel ist somit nicht auszugehen. Polizeiliche Ermittlungen im Bereich Menschenhandel sind für die ohnehin schon stark belasteten Polizei- und Justizbehörden aufwendig und führen dennoch kaum zu Verurteilungen. Jegliche Abschreckungswirkung fehlt. Das Bundeskriminalamt weist in seinem im Oktober 2022 veröffentlichten Bundeslagebild zu Menschenhandel und Ausbeutung darauf hin: „Der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung stellt auch weiterhin ein lukratives Betätigungsfeld für organisierte Tätergruppierungen dar.“


    Das Bündnis Nordisches Modell kommt zu dem Schluss, dass weder das Prostitutionsgesetz und das Prostituiertenschutzgesetz noch die Verschärfung der Menschenhandelsparagrafen die Frauen vor sexueller Ausbeutung schützt. Die zurzeit geltenden Gesetze sind nicht geeignet, dem Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wirkungsvoll entgegenzutreten. Geschützt werden in Deutschland in erster Linie die Profiteure: Freier, Zuhälter und Menschenhändler. Es ist endlich an der Zeit, das System Prostitution ganzheitlich zu betrachten. Es braucht dringend Prävention durch Reduzierung der Nachfrage.


  • JustizministerInnen fordern ganzheitliche Neuausrichtung des gesamten Regelungsbereichs zu Menschenhandel und sexueller Ausbeutung

    Juni 2022


    Bei ihrer Frühjahreskonferenz beschlossen die Justizministerinnen und -minister der Länder eine ganzheitliche Neuausrichtung der Strafvorschriften zu Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsarbeit unter Abstimmung mit dem Sexualstrafrecht und der Strafprozessordnung. Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt den Beschluss. Der Beschluss bezieht sich dabei auf die jüngste Evaluation des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen aus 2021 zu den Strafvorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels. Das Institut konstatierte in seiner abschließenden Bewertung, dass „die Regelungen über den Menschenhandel im Strafgesetzbuch der Praxis erhebliche Probleme bereiten und daher als wenig praktikabel eingestuft werden müssen.“

    Das überrascht nicht. Die Strafverfolgung und die Aufnahme eines Strafverfahrens sind für die Polizei und Justiz mit hohen Hürden verbunden und der Erfolg eines Verfahrens wegen Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung oder Zwangsprostitution hängt maßgeblich von der Aussagebereitschaft der Opfer ab. So bleiben die meisten Delikte im Bereich Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung ungeahndet und die Verurteilungsquote gering. Dies zeigt: Die Gesetze sind nicht praktikabel und sie verkennen die Realitäten des Prostitutionsmarktes in Deutschland, der nach wie vor durch die Organisierte Kriminalität kontrolliert und von Gewalt durchsetzt ist. Für Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung sind die Verfahren zermürbend und riskant. Bei einer Anzeige wird den Frauen gedroht, ihren Familien im Herkunftsland entweder von der Prostitution zu erzählen oder Familienmitgliedern Gewalt anzutun. Angehörige von Drittstaaten müssen darüber hinaus mit Abschiebung nach dem Verfahren rechnen. Dies läuft nicht nur dem Opferschutz auf ganzer Linie zuwider, sondern steht auch einer effektiven Strafverfolgung im Wege.  


    Eine neue ganzheitliche Ausrichtung bedeutet für das Bündnis Nordisches Modell den Blick auf die Seite der Nachfragenden nach sexueller Ausbeutung zu richten: Die Freier, die das Geschäft mit der sexuellen Ausbeutung erst lukrativ machen. Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und die Nachfrage nach Prostitution hängen eng zusammen. Laut BKA (2020) handelte es sich bei 291 von 465 Ermittlungsverfahren zum Menschenhandel um sexuelle Ausbeutung und jedes fünfte Opfer von sexueller Ausbeutung war regulär nach dem Prostituiertenschutzgesetz angemeldet. Die Orte der Ausbeutung sind offiziell zugelassene Prostitutionsstätten, wie Bordelle oder Terminwohnungen. Vor mehr als 20 Jahren wurden die Strukturen der Prostitution in Deutschland legalisiert. Damit wurden optimale Bedingungen für die Organisierte Kriminalität geschaffen, die nun unter dem Deckmantel der Legalität operieren kann. Der niederschwellige Zugang zu Frauenkörpern hat in diesem System zu einer massiven Steigerung der Nachfrage geführt. Schon seit Jahren wird Deutschland als „Bordell Europas“ bezeichnet. Die sehr hohe Nachfrage trifft jedoch nicht auf ein hohes „freiwilliges“ Angebot. Dieser Mangel muss durch Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung vulnerabler Frauen „ausgeglichen“ werden. Schließlich hat ein Bordellbetrieb laufende Kosten. Somit ist Deutschland heute eines der Hauptzielländer für Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Nach Aussage kriminalpolizeilicher Ermittler gehen 90% der Frauen nicht freiwillig der Prostitution nach. Die PartnerInnen des Bündnisses Nordisches Modell bestätigen diese Schätzung. Die für Freier strafbefreiende Einwilligung der Frauen wird heute faktisch grundsätzlich unterstellt. Dass viele Frauen und Mädchen unmittelbar oder mittelbar vorher Gewalt und sexuellen Missbrauch erfahren haben und lernen mussten zu dissoziieren, übersieht das Strafrecht. Schwere Traumata machen eine „freie Entscheidung“ unmöglich. Der Vorgeschichte und der Lebenssituation der allermeisten Frauen wird das Strafgesetzbuch zu Gunsten der Freier nicht gerecht. Zu einem ganzheitlichen Opferschutz gehört auch der Schutz der Opfer vor erneutem sexuellen Missbrauch durch Freier. 


    Ganzheitliche Strafvorschriften bedeuten für das Bündnis Nordisches Modell: Eine Einwilligung zu sexuellen Handlungen darf nicht käuflich sein. Die Leidtragenden sind die vulnerabelsten Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft. Die Situation geflüchteter Frauen und Kinder aus der Ukraine und die Berichte über die Gefahren, Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung auf der Flucht und in den europäischen Zielstaaten zu werden, haben mehr als deutlich gemacht, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um Menschen vor diesen schweren Verbrechen zu schützen und TäterInnen effektiv strafrechtlich zu belangen. 


    Die Justizministerinnen und -minister der Länder haben den Anfang gemacht: Sie haben anerkannt, dass die Gesetze nicht hinreichend sind und es ein grundsätzliches Umdenken in den Strafvorschriften zu Menschenhandel und sexueller Ausbeutung braucht. Jetzt ist der Bundesminister Dr. Marco Buschmann gefragt eine adäquate gesetzgeberische Antwort auf Bundesebene zu finden. Erneute Kosmetik an den bestehenden Gesetzen ist nicht mehr vertretbar. Ein ganzheitlicher Ansatz, der Opferschutz und eine effektive Verbrechensbekämpfung und -verhinderung zusammendenkt, ist das sogenannte Nordische Modell. Es setzt an der Wurzel des Problems an: Es kriminalisiert die Nachfrage und die Profiteure, entkriminalisiert die Menschen in der Prostitution, bietet Ausstiegshilfen und langfristige Unterstützungsangebote für Betroffene. 


  • Überwältigende Mehrheit in Spanien für das Nordische Modell:

    Juni 2022


    Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt die Entscheidung Spaniens zu einer Prostitutionsgesetzgebung entsprechend dem schwedischen Ansatz (Einführung des Nordischen Modells)


    Mit einer sehr deutlichen Mehrheit von 232 Stimmen (bei 69 Enthaltungen und 38 Gegenstimmen) stimmte das spanische Abgeordnetenhaus letzten Dienstag (07.06.2022) für die Unterstützung der Frauen in der Prostitution, die Beendigung der Zuhälterei und die Bestrafung der Freier.  Eingebracht wurde das Gesetz von den Sozialisten. 


    Das Gesetz ist damit noch nicht verabschiedet – es geht nun in den Senat, der binnen zweier Monate ein Veto einlegen kann, womit das Gesetz erneut im Abgeordnetenhaus abgestimmt werden muss.   

    Das Gesetz beinhaltet Gefängnisstrafen für Zuhälterei, eine Bestrafung der Freier und die Zuerkennung von Opferschutz an die Personen in der Prostitution. Letzteres beinhaltet den Zugang zu den vorhandenen Unterstützungsangeboten des Staates bei Gewalt. 


    Das Gesetz wurde von feministischen Gruppen in Spanien seit Jahren entschieden gefordert: 7000 Feministinnen verschiedener Initiativen demonstrierten zuletzt am 28. Mai in Madrid für die Beendigung der Prostitution über den schwedischen Ansatz, der den Kauf sexuellen Zugangs als eine Form der Gewalt gegen Frauen sieht, jede Form des Profits aus der Prostitution anderer unter Strafe stellt und dabei auch die Freier als Grundpfeiler des Systems zur Verantwortung zieht.  


    Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt diese Entscheidung und fordert eine ebenso entschiedene Haltung zur Abschaffung der Prostitution seitens der deutschen Gesetzgebung. Wir gratulieren den spanischen Feministinnen zu diesem Erfolg und verstehen ihre Arbeit auch als wegbereitend für unsere eigene. 


  • 20 Jahre experimentieren sind genug! Für ein Umdenken in der Prostitutionspolitik

    Oktober 2022


    Pressemitteilung anlässlich des Internationalen Tags gegen Prostitution am 5. Oktober 2022


    2002 erließ die damalige rot-grüne Bundesregierung das Prostitutionsgesetz. Die Situation Prostituierter hat sich seitdem nicht verbessert, die Ziele wurden nicht erreicht. Im Gegenteil. 


    Seit 20 Jahren gilt Prostitution in Deutschland als „sexuelle Dienstleistung“ und das Betreiben eines Bordells als Gewerbe. Was auf dem Papier anfänglich wie eine gute Lösung für die Probleme im Rotlichtmilieu aussah, erweist sich seit Jahren als absolut unzureichend. Auch die Reform zum Prostituiertenschutzgesetz 2017 konnte der Gewalt und den ausbeuterischen Bedingungen in der Prostitution kein Ende setzen. „Die Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland ist gescheitert“, sagt Simone Kleinert vom Bündnis Nordisches Modell anlässlich des Internationalen Tags gegen Prostitution am 5. Oktober. „Die Lebensbedingungen der Prostituierten haben sich unter den Prostitutionsgesetzen nicht verbessert. Vielmehr hat die liberale Gesetzgebung die Nachfrage nach Prostitution angekurbelt und Deutschland zu einem der attraktivsten Zielländer für Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung gemacht“, so Kleinert weiter. 


    Dies belegen auch Einschätzungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die in einem jüngst veröffentlichten Bericht unterstreicht, dass die Reduzierung der Nachfrage nach käuflichem Sex das wirkungsvollste Instrument im Kampf gegen Menschenhandel sei. Deutschland hat sich mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels 2013 verpflichtet, die Nachfrage als eine der Hauptursachen für Menschenhandel anzuerkennen und dieser folglich entgegenzuwirken. Dass hierzulande so wenig dafür getan wird, sieht das Bündnis Nordisches Modell in dem deutschen Sonderweg begründet. Deutschland unterscheidet zwischen der freiwilligen Prostitution und den sauberen Bordellen auf der einen Seite und der Zwangsprostitution und dem Menschenhandel auf der anderen Seite. In der Praxis ist diese Unterscheidung jedoch nicht haltbar. Menschenhandel findet in legalen Bordellen und die Zwangsprostitution auf dem Straßenstrich in der Mitte deutscher Städte statt. Bereits 2011 hatten Forscher der Universitäten Göttingen und Heidelberg in einer Studie belegt, dass eine liberale Gesetzgebung zu mehr Menschenhandel führt. Eine hohe Nachfrage vergrößert den Prostitutionsmarkt, der nur noch durch den Menschenhandel bedient werden kann. Prostitution und Menschenhandel sind somit untrennbar miteinander verbunden. Diese Trennung will das Bündnis Nordisches Modell überwinden und fordert daher einen ganz anderen Ansatz.


    Das Bündnis Nordisches Modell will die Einführung des Nordisches Modells, auch Gleichstellungs-modell oder international Equality Model, genannt. Dieses wird bereits in Schweden, Frankreich, Irland und weiteren Ländern umgesetzt. „Gegen Prostitution zu sein, heißt sich gegen ein System der Gewalt zu richten und dabei mit den Betroffenen solidarisch zu sein, statt Prostitution weiter als Beruf zu verklären“, betont Kleinert. Das Gleichstellungsmodell sieht die Entkriminalisierung der Prostituierten und flächendeckende Ausstiegsprogramme für Betroffene vor. Außerdem ist der Sexkauf strafbar. Denn nur wenn die Nachfrage als Motor des ausbeuterischen Systems Prostitution adressiert wird, kann die Gewalt und Menschenhandel nachhaltig bekämpft werden. 20 Jahre experimentieren sind genug. Jetzt ist Zeit umzudenken – das ist Deutschland den Betroffenen schuldig.



Offene Briefe, Unterstützungsschreiben, Stellungnahmen

  • Unterstützungsschreiben zur Stellungnahme von Coalition Against Trafficking in Women (CATW) und Coalition for the Abolition of Prostitution (CAP International)

    Das Bündnis Nordisches Modell steht für ein Umdenken in der deutschen Prostitutionspolitik, weil es die Ziele des Prostitutionsgesetz von 2002 für gescheitert und das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 für verfehlt hält. Daher schließt sich Bündnis Nordisches Modell der Stellungnahme von Coalition Against Trafficking in Women (CATW) und Coalition for the Abolition of Prostitution (CAP Inter-national) vom 31. März 2022 an.


    Warum Deutschland für Belgien kein Vorbild sein darf: Der belgische Gesetzgeber hat sich gegen den Schutz von Prostituierten und für eine rechtliche Regelung zu Gunsten der Profiteure der Sexindustrie wie Freier, Zuhälter und Menschenhändler entschieden. Die neuen belgischen Regelungen begünstigen den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.


    Belgien ignoriert seine internationalen rechtlichen Verpflichtungen, wie in der Stellungnahme nachzulesen ist.


    Belgien schließt sich einer Prostitutionspolitik an, die in Deutschland nachweislich gescheitert ist: Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland hat bereits 2007 eingeräumt, dass die Zielsetzungen des Prostitutionsgesetzes nur zu einem begrenzten Teil erreicht worden sind (Quelle:  bericht-der-br-zum-prostg-broschuere-deutsch-data.pdf (bmfsfj.de) S. 80). Prostituierte sind selten sozial- und krankenversichert und durch die Liberalisierung hat die organisierte Kriminalität zu- statt abgenommen. Deutschland ist zum Bordell Europas (Quelle: DER SPIEGEL 22/2013 - Inhaltsverzeichnis Titelbild Ausgabe Nr. 22 vom 26.05.20213)  geworden. „Die Ausstiegsmöglichkeiten aus der Prostitution sind durch das Prostitutionsgesetz nicht wirksam verbessert worden.“ (Quelle bericht-der-br-zum-prostg-broschuere-deutsch-data.pdf (bmfsfj.de) S. 80) Ebenfalls gescheitert ist das Prostituiertenschutzgesetz: Ende 2020 waren rund 24.900 Prostituierte bei Behörden angemeldet.  Somit sind ¾ von geschätzten 200.000 Prostituierten in Deutschland in der Illegalität bzw. im sogenannten Dunkelfeld tätig. 


    Prostitution und Menschenhandel lassen sich nicht voneinander trennen: Die Gesetzeslage in Deutschland geht von einer „Freiwilligkeit“ der Prostituierten aus. Freier, die durch ihre Nachfrage überhaupt erst für das Angebot sorgen, können nicht differenzieren, ob sich die Prostituierte freiwillig prostituiert oder sich prostituieren muss und somit Zwangsprostituierte bzw. Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ist. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellte bereits 2007 fest: „Prostitution ist überwiegend eine physisch und psychisch belastende, risikoreiche und auch gefährliche Tätigkeit, die nicht selten von besonders vulnerablen Gruppen ausgeübt wird.“ (Quelle bericht-der-br-zum-prostg-broschuere-deutsch-data.pdf (bmfsfj.de) S. 10). 


    Zwang und Abhängigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit sowie Ausnutzen von Notlagen durch Profiteure bedeuten, dass das System Prostitution auf Gewalt und Ungleichheit aufgebaut ist. Die Liberalisierung führt zu einer Verharmlosung dieses Gewaltsystems. Deutschland, Österreich, Schweiz und die Niederlande sind zu Zielländern für Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geworden. Diese Länder müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Nun auch Belgien.


  • Stellungnahme von CATW und CAP zu Belgiens liberaler Prostitutionsgesetzgebung

    Belgien ändert sein Strafgesetzbuch nach dem Vorbild des katastrophalen deutschen Prostitutionsgesetzes von 2002-2017, um Freier, Zuhälterei und Bordellbetreiber weiter zu entkriminalisieren


    NEW YORK und PARIS, 31. März 2022 


    Am 18. März 2022 verabschiedete das belgische Parlament auf der Grundlage eines von Bundesjustizminister Vincent Van Quickenborne vorgelegten Vorschlags Änderungen des belgischen Strafgesetzbuchs in einer Reihe von "sexuellen Angelegenheiten", unter anderem im Zusammenhang mit der Prostitution. Während Belgien das System der Prostitution bereits 1995 legalisiert hatte, werden durch die Änderungen der Artikel 380 bis 382 des Strafgesetzbuches Zuhälterei und Bordellbesitz weiter entkriminalisiert, außer in Fällen von "ungewöhnlich" hohen Gewinnen.


    Andere Änderungen sehen vor, dass die Prostitution von Minderjährigen zwischen 16 und 18 Jahren erlaubt ist, wenn entweder die Bordellbetreiber oder die Sexkäufer geltend machen können, dass ihnen das Alter des Kindes nicht bekannt war. Nach internationalem Recht gilt jede Person unter 18 Jahren, die in der Prostitution tätig ist, als Opfer des Kinderhandels. Nach den belgischen Änderungen müssen diese Kinder beweisen, dass ihre Zuhälter oder "Kunden" wussten, dass sie minderjährig sind - eine nahezu unmöglich zu erfüllende Bedingung.


    Zu einer Zeit, in der viele europäische Länder darum kämpfen, die sexuelle Ausbeutung im Internet einzudämmen, erlauben die belgischen Gesetzesänderungen die Werbung für Prostitution im Internet, was den Sexhandels durch bestimmte Websites erleichtert.

    Während sich die Entkriminalisierung des Sexkaufs durch die Änderungen nicht ändert, werden Freier wahrscheinlich von einem expandierten und übersättigten belgischen Prostitutionsmarkt profitieren, online und offline, mit niedrigeren Preisen. Die im Sexgewerbe gezielt betriebene Bigotterie, einschließlich der Kategorisierung von Menschen nach Geschlecht, Körpergröße, ‚race‘, ethnischer Zugehörigkeit, Schwangerschaftsstatus und Geschlechterstereotypen, ist ein entscheidenden Faktor in der Vermarktung für Sexkäufer".


    Im Gegensatz zu einigen Behauptungen, dass diese Änderungen einen "historischen Schritt" darstellen, ist Belgien nicht das erste Land in Europa, das die Zuhälterei entkriminalisiert und den Sexhandel legalisiert. Das belgische Strafgesetzbuch spiegelt nun das deutsche Prostitutionsgesetz von 2002-2017 wider. Der rechtliche Rahmen der Legalisierung und Entkriminalisierung des Sexgewerbes lässt keine eindeutige Unterscheidung voneinander zu.


    Sowohl das belgische als auch das deutsche Prostitutionsgesetz sehen das Sexgewerbe als legitimes Gewerbe an, definieren die Ausgebeuteten als "Dienstleister" oder "Selbstständige" und stufen Drittausbeuter als "Arbeitgeber" oder seriöse Unternehmer ein. Sowohl in Belgien als auch in Deutschland wird Prostitution als Berufswahl dargestellt, wobei der Zugang zu staatlichen Leistungen in Aussicht gestellt wird und nur "ethische" Bordellbetreiber zugelassen sind. Infolge dieser Entkriminalisierung wurde Deutschland zum „Bordell Europas", wie es die Medien titulieren, und international dafür bekannt, dass es der Organisierten Kriminalität und der systematischen Entmenschlichung und sexuellen Ausbeutung von vulnerablen Personen Vorschub leistet. Mit seinen neuen Änderungen wird Belgien bald dem deutschen Weg folgen.


    Wie in Deutschland werden Menschen in der Prostitution, in Belgien rechtlich anerkannte Arbeitsverträge abschließen können und sich offiziell als "Sexarbeitende" registrieren lassen können. Während sich jedoch in Deutschland schätzungsweise 200.000-400.000 Menschen, fast ausschließlich Frauen, in der Prostitution befinden, haben nur 1 % einen Arbeitsvertrag in einem Bordell oder einer Escort-Agentur abgeschlossen. Eine staatliche Untersuchung im Jahr 2018 konnte nur 76 Personen identifizieren, die als "Prostituierte" registriert waren, um Zugang zur Sozialversicherung zu erhalten. Zu den Gründen für diese Zurückhaltung gehören das der Prostitution anhaftende Stigma und die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Frauen in deutschen Bordellen undokumentierte ausländische Frauen, Frauen aus Osteuropa und dem globalen Süden sind. Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschaftsurlaub, Renten und andere Leistungen bleiben hypothetisch.


    Dieses Muster wird sich zweifellos in Belgien wiederholen. Bereits im Jahr 2008 waren schätzungsweise 60 % der Frauen im belgischen Sexgewerbe Ausländerinnen und Frauen ohne Papiere. Da diese Zahl in den in den letzten Jahren in den Nachbarländern gestiegen ist, ist der Anteil heute wahrscheinlich noch höher und wird mit diesen Änderungen exponentiell ansteigen.


    Deutschland hat das katastrophale Scheitern seines Prostitutionsgesetzes eingeräumt: 80 % der deutschen Bevölkerung war der Meinung, dass das Gesetz seine Ziele nicht erreicht habe und 86 % assoziierten Prostitution mit unkontrollierter Ausbeutung. Der Staat reformierte das Gesetz 2017 leicht, um einige Vorschriften zu verschärfen, u. a. für die Eröffnung und den Betrieb von Bordellen, da festgestellt wurde, dass sich Bordellbesitzer zwar als "Vermieter" registrieren lassen, in der Praxis aber den Frauen unmenschliche Praktiken aufzwingen. Während Belgien sich verspricht mögliche Fälle von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in legalen Bordellen aufdecken zu können, musste Deutschland bereits festgestellt, dass diese Ermittlungen kostspielig sind und jahrelange Bemühungen bedürfen. Diese und weitere Gründe führen zu sehr wenigen Strafverfolgungen in diesem Bereich, auch weil eine mangelnde Bereitschaft der Opfer vorliegt, auszusagen.


    "In einer Zeit, in der Millionen von Menschen auf der ganzen Welt aufgrund von Umweltkatastrophen, wirtschaftlicher Ungleichheit und Kriegen, auch in der Ukraine, extrem vulnerabel sind, ist es schockierend, dass Belgien nun dieses Geschenk an Menschenhändler und Bordellbetreibende macht", sagte Taina Bien-Aimé, Geschäftsführerin der Coalition Against Trafficking in Women (CATW).  Mit diesen Änderungen wird Belgien den Sexhandel weiter ausweiten, Sexkäufer stärken und seine Stellung als kolonisierende Macht, die arme Frauen und Women of color für den eigenen Profit sexuell ausbeutet, sichern. Auch das wäre keine 'historische Neuheit'.

    Eine Reihe von Ländern erkennt Prostitution als ein ausbeuterisches System geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung an. Diese haben deshalb Gesetze erlassen, die nur die prostituierten Personen entkriminalisieren und Hilfsangebote bereitstellen, während Freier und andere Profiteure für den Schaden, den sie verursachen, zur Rechenschaft gezogen werden. Zu den Ländern mit Nordischem oder abolitionistischem Modell gehören Schweden, Island, Norwegen, Nordirland, Kanada, Frankreich, Irland und Israel.


    Die eigentliche historische Bedeutung dieser Änderungen besteht darin, dass sich Belgien weiter von seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen und seinem Engagement für die Wahrung der Menschenrechte entfernt. Die Entkriminalisierung der Zuhälterei und das Versäumnis, die Nachfrage zu bekämpfen, welche sexuelle Ausbeutung begünstigt, verstößt gegen die UN-Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer von 1949, das Palermo-Protokoll, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes.


    Belgien verstößt außerdem gegen die Allgemeine Empfehlung Nr. 38 des CEDAW-Ausschusses aus dem Jahr 2020 zum Frauenhandel im Kontext der globalen Migration, die europäische Resolution von 2014 über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und die Folgen für die Gleichstellung von Frauen und Männern und andere europäische Beschlüsse, in denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, Gesetze und politische Maßnahmen zu erlassen, die Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung verhindern und die Opfer und Überlebenden dieser Menschenrechtsverletzungen schützen. Das Europäische Parlament empfiehlt allen europäischen Ländern das Nordische Modell umzusetzen.


    "Wenn Prostitution eine 'Wahl' ist, dann ist es eine Wahl, die systematisch von Frauen getroffen wird, die keine Wahl haben. Ob durch physischen oder sozioökonomischen Zwang, der sexuelle Akt in der Prostitution ist immer erzwungen. Er ist das genaue Gegenteil von sexueller Freiheit. Die Wiederholung sexueller Handlungen ohne körperliches Verlangen, die als Ausnutzung der Verletzlichkeit erlebt wird, stellt an sich schon sexuelle Gewalt dar", sagte Jonathan Machler, Geschäftsführer von CAP International. "Die in diesem Gesetzentwurf vorgenommene Trennung ist völlig losgelöst von der den Realitäten von Prostitution und Menschenhandel in Belgien. Dieses Gesetz ist ein Verrat an allen Frauen in Notlagen, an Migrantinnen und an geflüchteten Frauen, einschließlich der ukrainischen Frauen, die derzeit vor dem Krieg fliehen, und die, weil sie von der belgischen Regierung im Stich gelassen werden, dem Zugriff der Zuhälternetze noch stärker ausgesetzt sind."



    Über die Coalition Against Trafficking in Women (CATW)

    CATW ist eine der ältesten internationalen Organisationen, die sich für die Beendigung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Mädchen einsetzt. 

    Mit einem Ansatz, der auf den Rechten der Frauen und den Menschenrechtsprinzipien beruht, setzt sich CATW für strenge Gesetze und Strategien ein, sensibilisiert die Öffentlichkeit und unterstützt Überlebende in der Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Informationen finden Sie unter https://catwinternational.org/



    Über die Coalition for the Abolition of Prostitution (CAP International)

    CAP International ist eine Bewegung, die sich aus Basis- und Überlebenden-Organisationen zusammensetzt. Die Organisationen verfolgen ein gemeinsames Ziel: die Abschaffung der Prostitution und des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Heute umfasst die Koalition 35 Organisationen in 27 Ländern. Weitere Informationen finden Sie unter 

    http://www.cap-international.org/




    Quellenangabe im Original: https://catwinternational.org/press/belgium-joins-germany-in-creating-legal-haven-for-sex-trade/


    Das Bündnis Nordisches Modell übernimmt keine Haftung für die Übersetzung.



Pressemitteilungen 2021

  • Die unbeschränkte Männerherrschaft ist keineswegs Vergangenheit

    16. November 2021


    Die unbeschränkte Männerherrschaft ist keineswegs Vergangenheit


    „Alles war käuflich. Die Agenturen gaben die Schlüssel zu den Zimmern der Mädchen, die nicht so viel Geld brachten, an reiche Männer. Und wenn sich ein Mädchen beschwerte, hieß es: Wir können auch auf dich verzichten.“


    Handelt es sich bei dem Spiegel-Gespräch mit Joop um einen schwärmerischen Rückblick eines alten Mannes auf längst vergangene Zeiten, als es noch keine #metoo Bewegung gab, und die Mädchen noch Verfügungsmasse waren?


    Mitnichten. Du bist selbst schuld, du kanntest die Spielregeln, so lauten auch heute noch die Vorwürfe der Gesellschaft an die jungen Opfer der Germanys Next Top Modell Ideologie. Diese gaukelt Mädchen und jungen Frauen vor, ihr Glück läge in der Anpassung an die Regeln des Patriarchats. 


    Aber Anpassung ist nicht genug, das System fordert Unterwerfung. Und die Methode ist Vergewaltigung. Denn von Konsens oder Selbstbestimmung wird man ja nicht reden können, wenn da plötzlich der reiche, alte Mann im Zimmer des jungen Mädchens mit höheren Ambitionen steht. 


    Joop offenbart hier ein offenes Geheimnis der Modewelt: Nicht nur die Textilien werden in diesem System zur Wegwerfware, auch die Umwelt, die die Ressourcen dafür bereitstellen muss, die – ausdrücklich nicht erwähnten - Näherinnen, die zu Hungerlöhnen schuften müssen, und nicht zuletzt die Frauen, die glauben, in der besonders patriarchal geprägten Modewelt ein Leben in Wohlstand mit Anerkennung und Glamour finden zu können.  


    Die unbeschränkte Männerherrschaft, die Joop hier eindrucksvoll als Relikte aus besseren Zeiten betrauert, ist aber leider keineswegs Vergangenheit: In Osteuropa werden massenhaft Mädchen und junge Frauen von Model Agenturen angeworben, die ihnen eine Karriere in Deutschland versprechen. Dort angekommen, werden ihnen die Pässe abgenommen und sie werden durch falsche Versprechungen in die Prostitution manipuliert – oder gleich durch „Einreiten“ und Drogen gefügig gemacht. Einmal im System gefangen, gibt es kaum ein Entrinnen. 

    Wie der Spiegel schon 2013 in Ausgabe 22 eindrucksvoll belegte, hat die rot-grüne Bundesregierung durch die Liberalisierung der Prostitution 2002 die optimalen Bedingungen für diesen massenhaften Menschenhandel geschaffen. Das Leitbild war damals die erwachsene, selbstbestimmte Frau, die sich aus freiem Willen für die Prostitution entscheidet. Davon gibt es tatsächlich einige wenige, die lautstark die Diskurshoheit für sich beanspruchen, und seit Jahren auf dem Medienkarussell ihre Runden drehen dürfen. Die vielen Opfer des Systems Prostitution nehmen diese Besserverdienenden als Kollateralschaden ihrer unbeschränkten Freiheitsrechte klaglos hin. Um mit Joop zu sprechen: „Mein Gott, war das geil. Diese Unverschämtheit, diese Frechheit, diese Ignoranz!“ 


    Gegen diese Art von Libertinage, die für viele Opfer des Systems Prostitution das Gegenteil von Freiheit bedeutet, hat sich inzwischen ein breites Bündnis aus allen demokratischen politischen Lagern und gesellschaftlichen Schichten gebildet: Das Bündnis Nordisches Modell


    Freiheit bedeutet für das Bündnis Nordisches Modell nicht die unbeschränkte Handlungsfreiheit des Verbrauchers, dem als Kunde jederzeit auch menschliche Ressourcen zur Verfügung stehen sollen: zum Gebrauch, zur Penetration in alle Körperöffnungen, zur Zerstörung, psychisch und physisch. Freiheit bedeutet für das Bündnis ein Leben ohne Zwang, Schutz und Sicherheit vor Gewalt, auch für Frauen mit Missbrauch Erfahrungen oder Frauen aus dysfunktionalen Familienstrukturen, die in die Fänge von Menschenhändlern gelangt sind. 


    Die Prostitution ist die Spielwiese, auf der sich toxische Männlichkeit heute noch voll ausleben darf: „Ja, aber wirklich schön ist die Modewelt nur, wenn es auch die Sünde gibt!“ Joops Ausspruch lässt sich 1:1 auf diese toxische Männerwelt übertragen.


    Aber Gewalt lässt sich nicht outsourcen. Wir können versuchen, sie aus dem Arbeitsleben, den Familien zu verbannen, solange sie in der Prostitution ein perfektes Spielfeld behält, wird sie immer in unseren Alltag zurückkehren, und das Zusammenleben der Geschlechter prägen. Diese Erkenntnis hat Schweden schon 1999 dazu gebracht, als zentrale Reform für Gleichstellung die Freier-Bestrafung einzuführen.  

       

    Das Bündnis Nordisches Modell will dem System von Männergewalt und Unterwerfung in der Prostitution ein Ende bereiten. Es will den Standort Deutschland für den Menschenhandel unattraktiv machen und die Liefer-Ketten des Menschenhandels zerschlagen. Männer sollen für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen, Frauen beim Ausstieg unterstützt werden. Weil Menschenrechte unteilbar sind. 


  • 05.10.2021 - Tag gegen Prostitution

    Bündnis Nordisches Modell begeht in ganz Deutschland Protestaktionen, um auf die Missstände in der Prostitution aufmerksam zu machen


    Gemeinsam mit den BündnispartnerInnen nutzt das Bündnis Nordisches Modell den 05.10.2021, den Internationalen Tag gegen Prostitution, um auf die Missstände in der Prostitution aufmerksam zu machen. Überall in Deutschland werden Protestaktionen und Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen stattfinden. 

    Prostitution war nie und ist kein Beruf, sondern eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Seit dem Jahr 2000 wurden in Deutschland über 100 Frauen in der Prostitution ermordet. Die Täter: Freier, Zuhälter, Menschenhändler. Tagtäglich sind Menschen in der Prostitution massiver Gewalt ausgesetzt, mit verheerenden Folgen für ihre psychische und physische Gesundheit. Doch anstatt diese Menschen zu schützen und adäquate Hilfsangebote zu schaffen, bleibt Deutschland bei seiner liberalen Gesetzgebung, die den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung nachweislich fördert und die Ausbeutung vulnerabler Personen einfacher macht. Indem der Staat Prostitution als Dienstleistung definiert, fördert er einen auf Zwang und Gewalt aufbauenden Sexmarkt, der unter dem Deckmantel der Legalität jährliche Gewinne im Milliarden Bereich einstreichen kann. Das Bündnis Nordisches Modell ist deshalb gegen das System Prostitution und solidarisch mit prostituierten Menschen. 


    Das Bündnis fordert daher das Nordische Modell. Dieses erkennt Prostitution als Gewaltverhältnis an und steht auf der Seite der Betroffen und nicht auf Seite der Profiteure. Das Nordische Modell sieht umfassende Ausstiegshilfen vor, die Menschen ein Leben außerhalb der Prostitution ermöglichen, es entkriminalisiert die prostituierten Personen, etabliert Präventionsmaßnahmen, fördert die öffentliche Aufklärung und sieht die Freier Bestrafung vor. Obwohl das Nordische Modell schon seit 2014 vom Europäischen Parlament allen Mitgliedsstaaten der EU empfohlen wird, bleibt Deutschland bei seiner liberalen Gesetzgebung und in der Gesellschaft kursiert ein verzerrtes Bild der Prostitution. „All die Mythen und Falschannahmen, mit denen wir immer wieder konfrontiert werden, lassen sich so einfach widerlegen“, äußert Ronja selbst Aussteigerin und Lenkungskreis-Gewählte des Bündnisses Nordisches Modell. 


    Es ist also an der Zeit endlich die Stimmen der Betroffen zu hören und Prostitution als das zu benennen, was es ist: Ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Diese Botschaft will das Bündnis am 5. Oktober 2021 auf die Straßen tragen. 


  • Neue Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels

    Bündnis Nordisches Modell begrüßt die neue Strategie der Europäischen Kommission zur Bekämpfung des Menschenhandels


    30.07.02021


    Im April dieses Jahres hat die Europäische Kommission eine neue Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgelegt, die darauf abzielt, den Menschenhandel zu unterbinden, Menschenhändler zur Rechenschaft zu ziehen und Opfer zu stärken. Zwischen 2017 und 2018 wurden in der EU offiziell mehr als 14.000 Betroffene von Menschenhandel identifiziert, wobei die Dunkelziffer weitaus größer sein wird. Das häufigste Motiv ist der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, die Opfer sind größtenteils weiblich. 


    Das Positionspapier sieht vor, dass Freier juristisch stärker in den Fokus gerückt werden sollen, die durch ihre Nachfrage den Menschenhandel fördern und am Laufen halten. Einem Land wie Deutschland, in dem die Prostitution legalisiert wurde, fehlen die rechtsstaatlichen Mittel, den Menschenhandel innerhalb des nach außen hin legal auftretenden Systems Prostitution erfolgreich zu bekämpfen. Mit einer Gesetzesverschärfung durch § 232 a Abs. 6 StGB vom 25.06.2021, nach der Freier mehr nicht leichtfertig die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen dürfen, wird die Nachfrage-Seite zwar stärker in den Fokus der Diskussion über Prostitution gerückt. Doch ausreichend ist das bei weitem nicht.


    „Meist wissen Frauen, die aus dem In- und Ausland kommen, gar nicht, dass sie Opfer von Menschenhandel sind“, so Ronja Zimm, Lenkungskreis-Gewählte des Bündnisses Nordisches Modell. Den Frauen – egal, ob aus dem In- oder Ausland - wird versichert, dass Prostitution in Deutschland „völlig legal“ sei und deshalb sehen diese Frauen ihre Zuhälter und deren Gewalt selbst im Fall von Zwangsprostitution als staatlich legitimiert an. Auch Mädchen und junge Frauen aus dem Inland werden von Zuhältern in Sicherheit gewiegt und somit Opfer der Loverboy-Methode ergo Opfer von Menschenhandel.


    Deutschland fehlen die Mittel, den Menschenhandel im System Prostitution erfolgreich zu bekämpfen: Kriminal- und Polizeibehörden aber auch Gerichten fehlen die gesetzlichen Grundlagen, um die Anzeigebereitschaft der Opfer zu erhöhen und Täter zu überführen. Es mangelt nicht nur an Geld, sondern an Personal und digitaler Ausstattung. Ignorieren und Wegsehen scheint vielmehr das Mittel der Bekämpfung des Menschenhandels zu sein. 


    Um den Menschenhandel erfolgreich zu bekämpfen, fordert das Bündnis Nordisches Modell Deutschland auf, endlich hinzusehen und Verantwortung für den nie versiegenden Fluss immer neuer junger, weiblicher Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wahrzunehmen, verstärkte Aufklärungskampagnen über das System Prostitution, dem Gewalt immanent ist, im In- und Ausland zu initiieren und eine generelle Sanktionierung der Freier durch die Einführung des Nordischen Modells gesetzlich zu implementieren, damit auch in Deutschland die Nachfrage reduziert und die Lieferketten des Menschenhandels empfindlich gestört werden. 



  • Bündnis NM reicht Schattenbericht zur Istanbul Konvention bei GREVIO ein

    Bündnis NM reicht Schattenbericht zur Istanbul Konvention bei GREVIO ein


    Das Bündnis Nordisches Modell hat am 09.07.2021 seinen Schattenbericht zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sog. Istanbul-Konvention, bei GREVIO, dem Monitoring-Instrument des Europarates, eingereicht. Das Bündnis zeigt darin den Zusammenhang zwischen Gewalt an Frauen und Prostitution auf. 


    https://www.coe.int/en/web/istanbul-convention/germany


    https://www.bündnis-nordischesmodell.de/


    Das Bündnis Nordisches Modell legt, wie schon NGOs anderer Länder zuvor, den Finger in die Wunde des Systems Prostitution und erläutert in seinem Schattenbericht fundiert die Gewalt an Frauen in der Prostitution, stellt aber auch den Zusammenhang zwischen dem System Prostitution und der Gewalt gegen Frauen generell dar.

    Die Gewalt in der Prostitution wurde von anderen deutschen NGOs nicht behandelt, im Kontext von Zwangsprostitution kurz erwähnt und vorrangig als zu komplex bewertet und daher in der Berichterstattung außen vorgelassen. 


    Dem ehrenamtlich geleiteten, unabhängigen Bündnis ist es nun gelungen, ohne jegliche finanzielle Unterstützung mit der Expertise seiner Bündnispartnerinnen diese Komplexität aufs Papier zu bringen.


    Wenn es darum geht, die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erfolgreich umzusetzen, ist der Blick auf das System Prostitution unerlässlich. Das Bündnis Nordisches Modell widerspricht grundsätzlich der Voraussetzung, dass Prostitution als Beruf anzusehen sei und widerspricht dem verharmlosenden Begriff der „Sexarbeit“. Die mehrfach tägliche Wiederholung sexueller Handlungen, meistens an jungen Frauen, ohne körperliches Verlangen, ist sexuelle Gewalt. Freier nutzen die finanzielle und soziale Not der Frauen aus.


    „Wir haben nicht nur aufgezeigt, welche Zusammenhänge zwischen der Gewalt gegen die prostituierten Frauen und Deutschlands Prostitutionspolitik bestehen sondern auch, wie das System Prostitution Gewalt und Ungleichbehandlung an allen Frauen fördert bzw. fortführt“, so Ina Hansmann, eine der Koordinatorinnen des Schattenberichts und Lenkungskreis-Gewählte des Bündnisses. Die weitgehende Legalisierung als „Beruf“ hat qualitativ und quantitativ die Gewalt erhöht. Deutschland ist zum Zielland für Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geworden und muss sich endlich seiner Verantwortung stellen. „Wenn die in der Prostitution systematisch auftretende Gewalt von staatlicher Seite nicht erkannt wird, ist es nur eine logische Konsequenz, dass es einen gravierenden Mangel an Maßnahmen gibt“, folgert Barbara Bauer, ebenfalls Koordinatorin des Schattenberichts. Das Bündnis Nordisches Modell hat Handlungsempfehlungen entwickelt und detaillierte Empfehlungen formuliert (unter anderem):


    Die Bundesregierung sollte 


    • eine Dunkelfeldstudie zur Prostitution beauftragen, da nur ein kleiner Teil der prostituierten Frauen gemäß ProstituiertenSchutzGesetz angemeldet ist. Ohne Ermittlung von Daten zu deren Lebens- und Arbeitsrealität kann eine Einordnung der Lage der prostituierten Frauen in Deutschland nur ein stark verzerrtes Bild der Realität der Frauen in der Prostitution zeichnen


    • bundesweit und flächendeckend den Ausbau von Ausstiegshilfen fördern und den Schutz und die Unterstützung der betroffenen Frauen sicherstellen.


    • Prostitution als Gewalt gegen Frauen erkennen und die Legalisierung der Nachfrage durch die Einführung einer generellen Freierstrafbarkeit beenden.


    • sofort beginnen, konkret die Umsetzung des Nordischen Modells für Deutschland zu planen und damit den Paradigmenwechsel in der Prostitutionspolitik einzuleiten.


  • Verschärfung des § 232 a Abs. 6 StGB - die Freierstrafbarkeit

    Bündnis Nordisches Modell begrüßt die Verschärfung des § 232 a Abs. 6 StGB - die Freierstrafbarkeit


    Gemeinsam mit der Politik geht Deutschland in Sachen Sexkaufverbot einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Mit der Gesetzesverschärfung vom 25.06.2021 wird die Nachfrage-Seite stärker in den Fokus der Diskussion über Prostitution gerückt. Das Bündnis Nordisches Modell begrüßt, dass Deutschland den geltenden § 232 a Abs. 6 StGB ergänzt, damit Freier nicht länger einen Freifahrtschein auf die sexuelle Benutzung von Zwangs-Prostituierten haben. 


    Worum geht es? Das Strafgesetzbuch sieht vor, dass ein Freier, der eine „sexuelle Dienstleistung“ bewusst und absichtlich bei einer Zwangs-Prostituierten kauft, bestraft werden kann. Neben dem Vorsatz wird jetzt auch die Leichtfertigkeit bestraft. Er muss sich fragen: ist die Frau „freiwillig“ tätig oder eine Zwangs-Prostituierte? Trägt sie ein Eigentums-Tattoo, das ich als Freier nicht übersehen kann? Nehme ich den Zuhälter in der Ecke nicht wahr? Übersehe ich die blauen Flecke und sonstige Verletzungen? Sind mir ihr Ekel und ihre Schmerzen egal? 


    Freiern wird künftig erschwert, sich selbst dann noch herauszureden, wenn die Zeichen von Gewalt, Einschüchterung und Ausbeutung der Frauen deutlich sichtbar sind. Der Freier wird stärker in die Pflicht genommen, dass sein Verhalten Konsequenzen hat und er für sein Handeln zur Verantwortung gezogen werden kann.


    ABER: Freier mit „Expertenwissen“ prahlen in den Freier-Foren zwar geradezu mit ihren Erlebnissen bei offensichtlich zur Prostitution gezwungenen Frauen. Hier müsste Polizeiarbeit jetzt ansetzen, in diesen Foren proaktiv zu ermitteln, damit es auch wirklich zu Anklagen im Sinne der Neuregelung kommt. Andererseits ist weiterhin davon auszugehen, dass sich ein Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution dem Freier nicht als solches zu erkennen gibt. Die Frauen sind immensem Druck ausgesetzt und bei einer Nachfrage: "machst du das freiwillig?" würde bejaht, was zu verneinen wäre, um sich selbst und das Leben von Angehörigen in der Heimat nicht zu gefährden. Teilweise wissen Frauen, die aus dem Ausland kommen, gar nicht, dass sie Opfer von Menschenhandel sind. Ihnen wird nur versichert, dass Prostitution in Deutschland „völlig legal“ sei, damit sehen sie ihre Zuhälter und deren Gewalt auch im Fall von Zwangsprostitution als staatlich legitimiert an. 

     

    Deutschland wird die derzeitige Prostitutionspolitik nicht mehr lange aufrechterhalten können: zu groß sind die Widersprüchen, zu hilflos die Versuche, das prinzipiell unregulierbare Geschäft mit der Gewalt doch noch irgendwie in den Griff zu bekommen. Bisherige Nachjustierungen sind immer wieder an der Realität gescheitert, denn sie öffnen nur weitere Schlupflöcher. Die praktizierte "harm reduction" – Schadensminimierung - ist eine Politik, der es genügt, das Elend zu verwalten, statt die Zukunft zu gestalten. 


    Die Gesellschaft braucht einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel. Wir brauchen eine Politik, die Haltung zeigt: Es darf nicht mehr normal sein, zur Messe Geschäftspartner ins Bordell einzuladen, zum Junggesellenabschied Prostituierte einzuladen und in der Schule Kostümpartys nach dem Motto „Nutten und Zuhälter“ zu feiern. All das ist sexualisierte Gewalt gegen vulnerable Menschen, die in ihrer Kindheit durch Missbrauch oft geradezu dazu abgerichtet wurden, sich später im reichen Deutschland von Freiern und Zuhältern misshandeln und ausbeuten zu lassen. Das Bündnis Nordisches Modell fordert die Einführung des Nordischen Modells: Entkriminalisierung der in der Prostitution tätigen Menschen, bundesweite und flächendeckende Ausstiegshilfen, Aufklärung- und Präventionsarbeit über das ausbeuterische System der Prostitution und die generelle Kriminalisierung von Profiteuren wie Freiern sowie Zuhältern, Bordellbetreibenden und Menschenhändlern, völlig unabhängig von Opferaussagen. 


    Der neuste Vorstoß des Bundesregierung geht in die richtige Richtung – die Nachfrage zu reduzieren – genau das ist auch der Ansatz der Reformen des Nordischen Modells. Wir fordern die Politik auf, endlich konsequent und mutig zu handeln: Nordischen Modell jetzt! Zukunft gestalten statt Elend verwalten!  



  • Inzidenzen sinken – der Menschenhandel in Deutschland öffnet wieder

    Inzidenzen sinken – der Menschenhandel in Deutschland öffnet wieder


    Wenn die Corona-Maßnahme gelockert werden, wird auch der Menschenhandel wieder aufblühen. Das Bündnis Nordisches Modell warnt hier und jetzt vor einem Anstieg der illegalen Prostitution und fordert dazu auf, endlich die Freier zu sanktionieren, deren Nachfrage erst den Menschenhandel schafft. 


    Die letzten Monate des Lockdowns haben bewiesen, dass die deutsche Gesellschaft sehr wohl auch ohne Bordelle auskommt. „Es ist ein Irrglaube, dass Bordelle sichere Orte für Prostituierte sind“, sagt Simone Kleinert vom Lenkungskreis des Bündnisses Nordisches Modell. Bei 40.400 angemeldeten Prostituierten und geschätzten 200.000 – 400.000 Menschen in der Prostitution waren schon vor Corona rund 75% aller Prostituierten im Dunkelfeld tätig. Statt Kontrollen ausschließlich in Bordellen und auf dem Straßenstrich durchzuführen, hätte die Polizei ihren Schwerpunkt mehr auf die Modellwohnungen verlegen sollen, also auf die nicht sichtbare Prostitution. Das jedoch nicht, um die Prostituierten und Opfer von Menschenhandel unter Druck zu setzen, sondern um die Freier zu bestrafen! 


    Unsere Gesetzgebung suggeriert, dass Prostitution auf einer freiwilligen Entscheidung der Frau beruhe. Das ist ideologisch geprägtes Wunschdenken. Denn im Sexgewerbe herrscht der Teufelskreis von Gewalt, Erpressung und Zwang sowie Obdachlosigkeit, Drogensucht, Armut und Versorgungspflicht gegenüber Kindern oder Verwandten in den Herkunftsländern. Nicht die Prostituierten profitieren, sondern die Freier, Zuhälter und Menschenhändler.


    Sobald die „sexuellen Dienstleistungen“ wieder erlaubt werden, wird Deutschland aufgrund seiner Gesetzgebung erneut zum Zielland für Menschenhändler und Zuhälter und lässt im großen Schatten der legalistischen Prostitution auch alle Varianten der Organisierten Kriminalität erneut gedeihen. 


    Das Bündnis Nordisches Modell fordert endlich die Bestrafungen von Freiern, die die Notlagen der Frauen ausnutzen. „Theoretisch wäre das im Fall von Sexkauf bei Zwangsprostituierten bereits heute möglich, denn nach §232 a Abs. 6 StGB machen sich alle strafbar, die die wirtschaftliche Zwangslage eines anderen Menschen ausnutzen, etwa beim Sexkauf bei Zwangsprostituierten“, sagt Simone Kleinert, die Initiatorin des Bündnisses. Dieses Gesetz erweist sich jedoch als gescheitert, da es bisher kaum zu Verurteilungen geführt hat. 

    Das Bündnis Nordisches Modell fordert jetzt den Staat zum Handeln auf – Schluss mit der politischen Gleichgültigkeit gegenüber der Nachfrage, die den Menschenhandel fördert! Die Freier-Bestrafung bzw. das sog. Sexkaufverbot muss ab sofort strafrechtlich verfolgt werden!


  • Straffreiheit für in Not geratene Prostitutierte

    Bündnis Nordisches Modell fordert Straffreiheit und Unterstützung für aufgrund der Corona-Pandemie in Notlage geratene Prostituierte sowie die Freier-Bestrafung


    Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, hat die Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern und Kommunen verschiedene Maßnahmen ergriffen, um eine Verbreitung des COVID19-Virus zu vermeiden. Das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde entsprechend erweitert, so dass gemäß § 28 b Abs. 1 Nr. 8 "die Ausübung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist" untersagt ist. In Gemeinden und Städten, in denen bisher nur der Betrieb von Prostitutionsstätten verboten war, gilt demnach ein generelles Prostitutionsverbot. 


    Die bestehenden Corona-Bestimmungen sehen Strafen für Frauen  vor, die weiterhin der Prostitution nachgehen, nicht aber für die Freier. Das Bündnis Nordisches Modell fordert die für die Corona-Bestimmungen zuständigen Politikerinnen und Politiker in den Bundesländern auf, den zurzeit noch in der Prostitution tätigen Frauen überall in Deutschland die vorgesehene Bestrafung zu erlassen. Die Corona-Pandemie hat die katastrophalen Zustände in der Prostitution deutlich gemacht: Viele von ihnen sind Armutsprostituierte, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten. Zudem sind die Frauen in der Prostitution oft ohne Bleibe außerhalb der Bordelle, sind nicht krankenversichert und ohne finanzielle Rücklagen. Sie sind ständiger psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt.


    Das Bündnis Nordisches Modell fordert konkrete Lösungsansätze:

    • bundesweit geltende Entkriminalisierung der Prostituierten, falls diese bei der weiteren Ausübung der Prostitution angetroffen werden, da zumeist Zwang und Drohungen hinter der fortgesetzten Tätigkeit stehen,

    • kostenlose medizinische Versorgung für die Prostituierten,

    • eine sofortige intensive und qualifizierte Ausstiegsberatung sowie eine unbürokratische und schnelle Versorgung mit Notunterkünften außerhalb von Bordellen,

    • den Aufbau einer Beratungsinfrastruktur, die zielgerichtet und effektiv über Ausstiegsmöglichkeiten informiert und



    • strafrechtliche Verfolgung von Freiern/Sexkäufern und die

    • strafrechtliche Verfolgung von Profiteuren des Systems wie ZuhälterInnen, Bordellbetreibenden.

    Die Freier/Sexkäufer haben die Wahl, wenigstens in Zeiten der Pandemie auf den Kauf von „sexuellen Dienstleistung“ zu verzichten! Die Gesellschaft muss JETZT den Fokus von den Frauen in der Prostitution nehmen und auf die Nachfrageseite richten. Ein Sexkaufverbot und eine wirkungsvolle Sanktionierung von Freiern wären daher ein längst überfälliges und deutliches Zeichen. 


    Das Bündnis Nordisches Modell spricht sich gegen das System Prostitution aus, aber niemals gegen Prostituierte. Die Solidarität gehört den Frauen – auch, und vor allem in diesen Zeiten.


  • Bündnisgründung

    Starke Stimme(n) für eine moderne Prostitutions-Politik in Deutschland - Über 30 menschenrechtliche Vereine und Initiativen starten bundesweites „Bündnis Nordisches Modell“ für einen Perspektivwechsel in Gesellschaft und Politik


    „Prostitution ist ein perfides System aus sexueller Ausbeutung und brutaler Gewalt. Das macht die Corona-Pandemie jetzt endgültig sichtbar. Mädchen und Frauen in der Prostitution sind noch schutzloser der Willkür von Zuhältern und Freiern ausgeliefert, als sie es zuvor schon waren. Wir brauchen endlich eine moderne Prostitutions-Politik in Deutschland!“ Das fordert das neu gegründete Bündnis Nordisches Modell, ein bundesweiter Zusammenschluss aus derzeit über 30 menschenrechtlichen Vereinen, Initiativen und Netzwerken – darunter auch Betroffene- und Aussteigerinnen-Organisationen - sowie zahlreichen aktiven Menschen aus der Zivilbevölkerung und der Politik.  


    Die ExpertInnen des Bündnisses schließen sich somit der Empfehlung des Europäischen Parlaments von 2014 an alle EU-Mitgliedsstaaten an, das Nordische Modell zu übernehmen: es sieht insbesondere die Entkriminalisierung von Frauen in der Prostitution und effektive Ausstiegshilfen vor - und bekämpft gleichzeitig die Nachfrage, was sexuelle Ausbeutung unprofitabel macht und somit auch den Menschenhandel. Im Jahr 1999 hatte Schweden als erstes Land das Nordische Modell eingeführt, um Gewalt gegen Frauen zu beseitigen und die Gleichberechtigung der Geschlechter voranzutreiben. Es folgten sieben weitere Länder, darunter Norwegen, Irland, Frankreich und Israel. 


    „Deutschland muss endlich wegkommen von den gescheiterten Regulierungsversuchen des nicht regulierbaren Gewaltsystems Prostitution - hin zu einem zeitgemäßen und bereits in acht Ländern erprobten gesetzlichen Ansatz, dem Nordischen Modell. Weg vom Bordell Europas – hin zu echter Hilfe für Mädchen und Frauen in der Prostitution, echten Strafen für Täter, echter Aufklärung der Gesellschaft. Die Politik muss hier genau hinsehen, zeitgemäß handeln und von den Vorreiter-Staaten lernen!“ – so die Sprecherinnen des Bündnisses. 


    Der offizielle Startschuss für das bundesweite Bündnis Nordisches Modell fiel bereits am 21. Februar 2021. Ende März fand die erste Versammlung aller Delegierten der BündnispartnerInnen und die Wahl des Lenkungskreises statt. Der Bündnis-Gründung vorausgegangen war eine große und erfolgreiche Vernetzungs-Tagung im September 2020 in Bonn. Hier hatten sich unterschiedliche AkteurInnen aus ganz Deutschland dazu entschlossen, sich gemeinsam stark zu machen, ihre Kräfte zu bündeln und mit einer starken Stimme zu sprechen: für einen Wechsel in der Prostitutions-Politik nach dem Nordischen Modell. 


    Zu den BündnispartnerInnen zählen unter anderem das Netzwerk Ella - ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Prostitution waren oder sind sowie weitere Aussteigerinnen, die sich dafür einsetzen, dass Prostitution als das anerkannt wird, was sie ist: sexuelle Gewalt - und auch vier große, bundesweit frauenrechtlich und humanitär arbeitende Institutionen: KDFB – Katholischer Deutscher Frauenbund e.V., SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V., SOLWODI - Solidarität mit Frauen in Not - und TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V..

     

     Das neu gegründete Bündnis Nordisches Modell wächst stetig und steht mit seiner gesamten Expertise Politik und Gesellschaft für Beratung und Aufklärung kompetent zur Seite. 



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